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Zugang von E-Mails im geschäftlichen Verkehr – es kann um Minuten gehen!

PKF WMS Rechtstipp - März 2023

Zwischen Unternehmen findet Schriftverkehr mittlerweile überwiegend per E-Mail statt. Aber Achtung: E-Mails entfalten Bindungswirkung, die oftmals nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Dies zeigt eindrucksvoll ein aktuell vom BGH entschiedener Fall, in dem ein Vergleichsangebot kurze Zeit später widerrufen wurde – ohne Erfolg.

Ein Unternehmen unterbreitete wegen einer streitigen Forderung seinem Kunden mit E-Mail um 9:19 Uhr ein Vergleichsangebot. Einige Minuten später reute den Verfasser dieses Angebot und er widerrief es mit E-Mail von 9:56 Uhr. Der Kunde zahlte den Vergleichsbetrag eine Woche später und weigerte sich, die weitergehende Forderung zu zahlen.

Der BGH gab dem Kunden mit Urteil vom 5.9.2022 (Az.: VII TR 895/21) Recht. Denn um 9:19 Uhr, mit Eingang auf dem Server des Empfängers, sei das Vergleichsangebot zugegangen und nach Zugang könne eine Willenserklärung nicht mehr widerrufen werden. Mit seiner kommentarlosen Zahlung des Vergleichsbetrags eine Woche später habe der Kunde das Vergleichsangebot konkludent, rechtzeitig und wirksam angenommen. Der Vergleich sei damit zustande gekommen. Auf den Mehrbetrag habe das klagende Unternehmen daher verzichtet.

Der BGH hat damit die bislang nicht höchstrichterlich geklärte Frage entschieden, wann eine E-Mail dem Empfänger zugeht. Danach gilt eine E-Mail jedenfalls dann, wenn sie im unternehmerischen Geschäftsverkehr innerhalb der üblichen Geschäftszeiten auf dem zur Korrespondenz genutzten Mailserver des Empfängers abrufbereit zur Verfügung gestellt wird, grundsätzlich in diesem Zeitpunkt als zugegangen. Unbeachtlich ist also, wann die EMail gelesen wird. Anders liegt der Fall, wenn die E-Mail außerhalb der üblichen Geschäftszeiten eingeht: Dann findet der Zugang erst am nächsten Geschäftstag statt.

Auch wenn eine E-Mail in der Praxis grundsätzlich noch zurückgezogen werden kann, verbleibt ein Risiko, weil der Versender nachweisen muss, ob und wann die E-Mail tatsächlich auf dem Server des Empfängers eingegangen ist.

Eine interessante Randfrage stellt sich für Erklärungen, die als Anhang, etwa als PDF, enthalten sind. Das OLG Hamm hat sich in einer Entscheidung vom 9.3.2022 (Az.: 4 W119/20) auf den Standpunkt gestellt, dass mit einer E-Mail von einem bis dato unbekannten Versender ohne klaren Betreff und ohne eine sprechende Bezeichnung des Anhangs überhaupt kein Zugang bewirkt sei. Im Hinblick darauf, dass wegen des Virenrisikos allgemein davor gewarnt werde, Anhänge von E-Mails unbekannter Absender zu öffnen, könne von dem Empfänger nicht verlangt werden, den Dateianhang zu öffnen.

Um bei knappen Fristen in wichtigen Angelegenheiten einen Nachweis der Zustellung erbringen zu können, bleibt das klassische Einschreiben oder wenigstens die elektronische Lesebestätigung das Mittel der Wahl.

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