1. Einführung
Nach einem Anstieg der Inflationsrate von 0,5% auf zunächst 3,1% im Jahr 2021, welcher durch die Corona-Pandemie und die damit einhergehenden Maßnahmen bzw. Effekte (u. a. die temporäre Senkung der Mehrwertsteuersätze sowie der Preisverfall der Mineralölprodukte) verursacht wurde, stieg die Inflationsrate im Jahr 2022 weiter an und betrug letztlich 6,9%. Ursächlich hierfür war vor allem die russische Offensive gegen die Ukraine und die daraus resultierende Erhöhung der Energiekosten. Im Jahr 2023 blieb die Inflationsrate konstant hoch bei 5,9%, was dazu führte, dass die Europäische Zentralbank (EZB) Zinserhöhungen vornahm, um der Inflation entgegenzuwirken. Der Hauptrefinanzierungszinssatz stieg in der Folge von
0% zu Beginn des Jahres 2022 bis auf 4,5% im September 2023 in mehreren Schritten.
2. Makroökonomische und wirtschaftliche Auswirkungen
Die Erhöhung der Zinssätze hat zu einem signifikanten Anstieg der Finanzierungskosten für Unternehmen geführt. Viele Unternehmen, die zuvor von den niedrigen Zinsen profitierten und umfangreiche Fremdfinanzierungen nutzten, sehen sich nun mit erheblichen Mehrkosten konfrontiert.
Zunächst waren Kreditinstitute betroffen. Deren Geschäftsmodel basiert auf der Fristentransformation, bei der kurzfristige Einlagen in langfristige Kredite umgewandelt werden. Die rasche Zinserhöhung hat diese Transformation erschwert. Dennoch konnten Banken, Genossenschaftsbanken und insbesondere Sparkassen im Jahr 2023 hohe Gewinne erzielen, da sie hohe Zinseinnahmen durch die Kapitalvergabe und zugleich nur geringe Zinsaufwendungen durch niedrige Einlagenzinsen verzeichneten.
Viele mittelständische Unternehmen stehen auch aufgrund der gestiegenen Finanzierungskosten vor erheblichen Herausforderungen. Dies führte zu einer erhöhten Insolvenzgefahr, da viele Unternehmen die Folgen der Zinswende tendenziell unterschätzt haben und die zusätzlichen Kosten nicht tragen konnten. Laut einer Umfrage des Finance Magazins in Zusammenarbeit mit dem Beratungshaus Struktur Management Partner sehen 84% der Restrukturierungsexperten die hohe Unternehmensverschuldung als Folge der Niedrigzinsphase als problematisch an. In der Niedrigzinsphase verschuldeten sich viele Unternehmen zu günstigen Konditionen, ohne die Auswirkungen eines steigenden Zinsumfelds zu berücksichtigen. Durch die Zinswende stiegen die Zinsaufwendungen gegenüber Banken massiv an, was zu einer hohen Belastung und letztlich zu zahlreichen Insolvenzen bzw. Sanierungsfällen führte. Neben der Zinswende und den damit verbundenen gestiegenen (Re-)Finanzierungskosten kommt für Unternehmen u. a. auch die aktuelle Wachstumsschwäche in Deutschland erschwerend hinzu, sodass die Frühindikatoren des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) darauf hinweisen, dass in den kommenden Monaten eher keine Entspannung zu erwarten ist und Insolvenz- bzw. Sanierungsfälle voraussichtlich weiter steigen werden.
Private-Equity-Gesellschaften, die häufig durch Leveraged Buyouts hohe Schuldenstände aufweisen, sowie deren Portfoliounternehmen sind besonders stark von der Zinswende betroffen. Die gestiegenen Zinsen haben die Kosten für den Schuldendienst, der meist aus den Cashflows der erworbenen Unternehmen finanziert wird, erheblich erhöht. Dies hat die finanzielle Belastung dieser Unternehmen erhöht und ihre Fähigkeit eingeschränkt, Schulden zu refinanzieren oder neue Übernahmen zu tätigen.
M&A-Transaktionen können eine Lösung für Unternehmen in finanzieller Schieflage sein. Eine Übernahme kann einem Unternehmen neue finanzielle Möglichkeiten bieten. Allerdings hat die Zinswende diesen Weg erschwert, da die Finanzierung solcher Transaktionen nun teurer und risikoreicher geworden ist. Daher müssen Unternehmen alternative Wege finden, um ihre Liquidität zu sichern und ihre Geschäftsmodelle anzupassen.
3. Fazit
Die anhaltend hohe Inflation und die Zinswende haben weitreichende Auswirkungen auf die Wirtschaft und die finanzielle Stabilität von Unternehmen. Angesichts höherer Finanzierungskosten und einer unsicheren wirtschaftlichen Lage müssen Unternehmen ihre Finanzstrategien überdenken und anpassen. Dies erfordert nicht nur finanzielle Disziplin, sondern auch innovative Ansätze, um langfristig wettbewerbsfähig und stabil zu bleiben. Die kommenden Monate werden zeigen, wie erfolgreich Unternehmen diese Anpassungen umsetzen und welche langfristigen Auswirkungen die aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen auf die Geschäftswelt haben werden. Trotz der wieder rückläufigen Inflationsrate und der Senkung des Hauptrefinanzierungszinssatzes auf 3,15% durch die EZB im Dezember 2024 bleibt das Umfeld weiterhin angespannt.