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Newsticker Brexit und Versandhandel

Das Vereinigte Königreich (im Folgenden VK) ist am 31. Januar 2020 mit Austrittsabkommen aus der EU ausgetreten. Am 24. Dezember 2020 einigten sich die EU und das VK auf ein Handelskooperationsabkommen. Ab dem 1. Januar 2021 ist das VK nicht mehr Teil des EU-Binnenmarkts und gehört nicht mehr der Zollunion an. Für den Warenverkehr mit dem VK bedeutet der Brexit, dass im Warenverkehr mit dem VK Zollformalitäten und Veränderungen im Bereich der Umsatzsteuer zu beachten sind.

I. Zoll und Einfuhrverfahren in drei Stufen 
Mit dem „Border Operating Model“ konkretisiert die britische Regierung, wie die Wareneinfuhr ab 1. Januar 2021 in der Praxis ablaufen soll. Die Abwicklung der Einfuhr von Waren aus der EU ins VK wird ab 2021 stufenweise eingeführt. Unternehmen wird damit ein längerer Zeitraum eingeräumt, die Importanforderungen in ihre Unternehmensabwicklung einzubinden.  

 

1. Ab Januar 2021: das „Core Model“ 

Das sog. „Core Model“ ab 1. Januar 2021 hat folgenden Inhalt: 

  • Vorabanmeldungen (Safety and Security Declarations) sind nicht notwendig. 
  • Zollanmeldungen für Standardwaren können innerhalb von sechs Monaten nachgeholt werden. Für die Einfuhr von Waren können Importeure Dokumente mit Mindestangaben vorlegen und die Zollformalitäten bis zu sechs Monate später vervollständigen. Es kann ein Aufschub für anfallende Zölle und Abgaben bis zum Abschluss der Zollformalitäten gewährt werden. 
  • Beim Import von genehmigungspflichtigen (Gefahrgüter) bzw. verbrauchssteuerpflichtigen Waren (z.B. Alkohol, Tabak) sind dagegen vollständige Importerklärungen abzugeben. Für lebende Tier, gefährliche Pflanzen und Pflanzenprodukte sind Voranmeldungen und Gesundheitszeugnisse vorgeschrieben. Diese Waren werden einer Warenkontrolle unterzogen. 
  • Zur Abwicklung der Einfuhrumsatzsteuer ist ein Konto zu errichten. 

 

2. Ab April 2021 
Alle Produkte tierischen Ursprungs (z.B. Fleisch, Tiernahrung, Honig, Milch, Produkte aus Ei sowie alle regulierten Pflanzen und Produkte aus Pflanzen) unterliegen einer Vorabanmeldung. Alle relevanten Dokumente und Gesundheitszeugnisse sind vorzulegen.

 

3. Ab Juli 2021 
Ab 1. Juli 2021 gibt es keine Brexit-bedingten Vereinfachungen mehr. Für alle Waren werden vollständige Einfuhranmeldungen sowie Vorabanmeldungen verpflichtend. Die anfallenden Zölle sind zu entrichten. Sämtliche Gesundheits- und Sicherheitszertifikate sind während der Importprüfung und der Entnahme von Warenproben vorzulegen. Die Kontrolle von Tier- und Pflanzenimporten erfolgt direkt an den britischen Grenzkontrollstellen. 

 

II. Handels- und Kooperationsabkommen der EU mit dem VK 
Am 24. Dezember 2020 haben die Europäische Union und das VK eine grundsätzliche Einigung über ein Handels- und Kooperationsabkommen (Trade an Cooperation Agreement, TCA) erzielt. Es ist seit dem 1. Januar 2021 vorläufig anwendbar und gilt zunächst bis zum 28. Februar 2021. Wesentlicher Bestandteil ist die Präferenzbehandlung und damit Befreiung von Einfuhrzöllen für Waren, die die jeweiligen Ursprungsregeln erfüllen. Eine bedingungslose und uneingeschränkte 
Zollbefreiung liegt folglich nicht vor. Es sind nur solche Waren zollbefreit, die ihren präferenziellen Ursprung im jeweils anderen Gebiet haben. Das Abkommen enthält diverse Regelungen zur Definition des Warenursprungs und dessen Nachweis. 
Das Abkommen lässt das ursprünglich geschlossene Austrittsabkommen im Hinblick auf die Umsatzsteuer unberührt. 

 

III. Umsatzsteuerliche Registrierung, EORI-Nummer und Zollagent 
Das VK ist nicht mehr Teil des Gemeinschaftsgebiets, sondern Drittlandsgebiet i.S.d. Umsatzsteuerrechts (vgl. § 1 Abs. 2a UStG). Ab 2021 entfällt für das VK die Versandhandelsschwelle. B2C-Lieferungen unterliegen dann ab dem ersten Penny der britischen Umsatzsteuer. Versandhändler müssen daher im VK umsatzsteuerlich registriert sein. In der EU und im VK benötigen sowohl Importeur als auch Exporteur eine EORI-Nummer (Economic Operators’ Registration and Identification number - Nummer zur Registrierung und Identifizierung von Wirtschaftsbeteiligten). Für Zollformalitäten benötigen Versandhändler in Zukunft eine eigene britische EORI-Nummer, die mit der britischen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verknüpft wird. Diese kann unter diesem Link beantragt werden. Eine bereits vorhandene EORI-Nummer des EU-Sitzstaates gilt nur für die EU. 
Versandhändler ohne Niederlassung im VK benötigen einen zuverlässigen Zollagenten, Spediteur oder Paketdienst, der sie bei der Einfuhrabwicklung ins VK als indirekter Vertreter unterstützt. Dieser muss im britischen Zoll-IT-System CHIEF (entspricht dem deutschen ATLAS-System) Zollerklärungen abgeben dürfen. HMRC hat hierzu eine Liste mit Zolldienstlern veröffentlicht (Link). 

 

IV. Umsatzbesteuerung 
Das europäische Umsatzsteuersystem ist innerhalb der EU weitestgehend harmonisiert und verhindert so die Doppelbesteuerung von grenzüberschreitenden Lieferungen und Leistungen. Nach dem Austritt aus der EU ist das VK nicht mehr zur Anwendung der gemeinsamen Umsatzsteuersystemrichtlinie und der Einhaltung der Höchst- oder Mindestumsatzsteuersätze verpflichtet. Mangels innergemeinschaftlicher Lieferungen nach § 6a UStG werden Warenlieferungen von Deutschland nach UK zukünftig als Ausfuhrlieferung gem. § 6 UStG behandelt. Die unternehmensinternen Prozesse müssen also auf eine zollrechtliche Ausfuhr umgestellt werden. Insbesondere muss der Nachweis der Umsatzsteuerfreiheit den 
Anforderungen der §§ 9 bis 11 UStDV entsprechend in Form von Ausgangsvermerken im elektronischen Ausfuhrverfahren ATLAS erfolgen. Die sog. Gelangensbestätigung ist dann nicht mehr relevant, da sie kein tauglicher Nachweis für die Steuerfreiheit der Lieferung ist. Eine fehlerhafte Nachweisführung birgt das Risiko der Versagung der Umsatzsteuerfreiheit. Für Versandhändler ohne britische Niederlassung ist der 01.01.2021 der Stichtag, ab dem für jede Lieferung ins VK reguläre Einfuhrabfertigungen erforderlich werden. Erleichterungen gelten nur für ansässige Unternehmen. Die Steuer- und Zollbefreiung von Lieferungen im Wert von unter 15 GBP entfällt zum 01.01.2021. Maßgeblich wird die Grenze von 135 GBP Warensendungswert und ob Waren direkt oder über einen Online-Marktplatz vertrieben werden. 

 

1. Wertgrenze 135 GBP 
Lieferungen, die die Wertgrenze der 135 GBP nicht übersteigen, sind vom britischen Zoll und von der Einfuhrumsatzsteuer befreit. Die Sendung unterliegt jedoch der regulären britischen Umsatzsteuer im Zeitpunkt der Lieferung mit dem geltenden britischen Steuersatz. Die Umsatzsteuer entsteht in diesen Fällen im VK am Point-of-Sale. Es ist eine umsatzsteuerliche Registrierung im VK notwendig. Quartalsweise muss die Umsatzsteuer deklariert und abgeführt werden, weil der Versandhändler im VK steuerbare Lieferungen tätigt. Dem Kunden ist eine vollständige Rechnung mit britischer Umsatzsteuer auszustellen. Diese Umsätze sind wie bisher in der britischen Umsatzsteuererklärung zu erklären. Sendungen, welche die Wertgrenze der 135 GBP übersteigen, unterliegen den geltenden britischen Zollsätzen und der britischen Einfuhrumsatzsteuer. Die Umsatzsteuer entsteht hier nicht am Point-of-Sale, sondern beim Import in Form der Einfuhrumsatzsteuer. Diese Sendungen müssen mit Unterstützung eines indirekten Stellvertreters zur Einfuhr angemeldet werden. Da ein Aufschubkonto für Unternehmer ohne Sitz im VK nicht verfügbar ist, sind Zollbeträge sofort fällig. Die Einfuhrumsatzsteuer wird nachgelagert erhoben. 
Der Wert der Ware bemisst sich nach dem Verkaufspreis. Ausgenommen sind Transport- und Versicherungskosten, sofern diese nicht im Preis enthalten und nicht gesondert auf der Rechnung angegeben sind. Ebenfalls ausgenommen sind sonstige Steuern und Abgaben, die von den Zollbehörden anhand der einschlägigen Unterlagen ermittelt werden können. Zu beachten ist, dass der Schwellenwert von 135 GBP für den Wert der gesamten Lieferung gilt, nicht für jeden einzelnen Artikel innerhalb der Lieferung. 
Die 135 GBP Grenze gilt nicht für verbrauchsteuerpflichtige Waren (z.B. Alkohol, Tabak, Kaffee). 

 

2. Online-Marktplätze 
Beim Handel über Online-Marktplätze (OMP) wie Ebay oder Amazon ergeben sich Besonderheiten. Das britische Umsatzsteuerrecht fingiert bis zur Grenze von einem Warenwert bis zu 135 GBP eine i.d.R. steuerpflichtige Lieferung des Marktplatzes an den Endverbraucher. Die Marktplätze sind dann für die Erhebung und Abrechnung der Umsatzsteuer verantwortlich, d.h. sie sind in der Pflicht die Umsatzsteuer selbst direkt einzuziehen und an die Behörden abzuführen. Ebay hat sich daher bereits mit Handlungsempfehlungen an die Händler gerichtet. So sollen diese bei Angeboten auf dem Marktplatz immer den Bruttopreis angeben und den entsprechenden Umsatzsteuersatz. 
Beträgt der Warenwert der Lieferung über 135 GBP, gilt diese Fiktion nicht. Dann gilt das oben Gesagte zu einem Warenwert über 135 GBP. 

 

3. B2B-Verkäufe 
Der Ort der Lieferung ändert sich für eine grenzüberschreitende Lieferung im B2B-Verhälntis nicht. Aus steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen werden steuerfreie Ausfuhrlieferungen ins VK. Da es sich nicht mehr um eine innergemeinschaftliche Lieferung handelt, ist auch keine zusammenfassende Meldung mehr für die Warenlieferung anzugeben. Die Lieferung ist hingegen im ATLAS-Verfahren zu erfassen.  

 

V. Warenverkehr mit Nordirland 
Zwischen der EU und Nordirland ist zum 1. Januar 2021 noch keine Zollgrenze entstanden. Zwar gehört Nordirland zum britischen Zollgebiet, jedoch gelten die EU-Regelungen zum Versandhandel ab 2021 weiter. Nordirland wird zollrechtlich so behandelt, als ob es zum Zollgebiet der Union gehören würde. Die ISO-alpha2-Codierung (für elektronische Zollanmeldungen) ist für Nordirland „XI“. Das VK (ohne Nordirland) behält weiterhin „GB“. Die Kennung „XU“ ist bei Zollanmeldung nicht zulässig. 

 

VI. Hilfreiche Links 

  • EORI-Nummer beantragen: Link 
  • Datenbank mit Zolldienstleistern: Link 
  • Trade Cooperation Agreement (Deutsche Version): Link 
  • Informationen des Zolls zum TCA: Link 
  • Aktuelle Informationen der britischen Regierung zum Brexit: Link 
  • Strategiepapier der britischen Regierung zu den Änderungen der Umsatzsteuerbehandlung von Waren aus Übersee, die ab dem 1. Januar 2021 an Kunden verkauft wurden: Link 
  • Orientierungshilfe der britischen Regierung zur Umsatzsteuer, wenn die Waren aus Übersee direkt an Kunden im VK verkauft werden: Link 
  • Orientierungshilfe der britischen Regierung zur Umsatzsteuer, wenn die Waren aus Übersee über OMP an Kunden im VK verkauft werden: Link 

Alle in diesem Bericht enthaltenen Informationen sind mit der notwendigen Sorgfalt aufbereitet und zusammengestellt worden. Wir schließen jedoch jegliche Haftung für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben in dem Bericht aus. 

Sollten Sie Unterstützung benötigen, zögern Sie bitte nicht und sprechen Sie uns an.  

Ansprechpartnerin: 
Antje Ahlert 
Steuerberaterin, Rechtsanwältin, Partnerin 
antje.ahlert@pkf-wms.de 

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