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„Leave to stay“ oder die Baby-/Krankheits-/Pflegepause des Geschäftsführers (m/w/d)

Der Bundestag hat am 11. Juni 2021 den Entwurf eines Gesetzes zur „Ergänzung und Änderung der Regelungen für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst“ (FüPoG II) verabschiedet.

Die Presse hat hierüber ausführlich berichtet. Kurz zusammengefasst sind danach in GmbH, Aktiengesellschaften und SE, in denen die Geschäftsführung/der Vorstand aus mehr als drei Personen besteht, mindestens eine Frau und mindestens ein Mann in das Vertretungsorgan zu bestellen. Wird diese Quote nicht beachtet, ist die Bestellung, die die Quotenverfehlung herbeiführt, nichtig. Diese zwingende Quote im Führungsorgan gilt jedoch nur für Gesellschaften, die entweder börsennotiert oder nach dem Mitbestimmungsgesetz paritätisch mitbestimmungspflichtig sind, also für eine überschaubare Zahl von einigen hundert deutschen Gesellschaften.

 

Im Windschatten dieser Neuerung ist quasi in letzter Minute, durch eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für Familien, Senioren, Frauen und Gesundheit vom 9. Juni 2021, mit breiter Mehrheit der Fraktionen eine weitere Änderung eingeführt worden, deren Auswirkungen nicht weniger spektakulär ist: Nämlich den nunmehr zwingenden Anspruch des Geschäftsführers auf eine Mutterschafts-, Elternzeit-, oder Pflegepause, und zwar unabhängig davon, ob der betreffende Geschäftsführer sozialversicherungsrechtlich Arbeitnehmer oder beherrschender Gesellschaftergeschäftsführer ist. Wir erinnern uns: das Mutterschutzgesetz gilt schon seit dem 1.1.2018 verbindlich für Fremdgeschäftsführerinnen, aber eben nur dann, wenn sie nicht oder nur als Minderheitsgesellschafter beteiligt und damit sozialversicherungspflichtig sind (wir berichteten darüber, siehe PKF Nachrichten 03 /2020).

 

Umgesetzt wird dies mit einem interessanten dogmatischen Ansatz, nämlich dem Anspruch auf Aussetzung der organschaftlichen Bestellung.

 

Wörtlich heißt es hierzu in einem neuen Abs. 3, der § 38 GmbHG angefügt wurde:

„Der Geschäftsführer hat das Recht, um den Widerruf seiner Bestellung zu ersuchen, wenn er wegen Mutterschutz, Elternzeit, der Pflege eines Familienangehörigen oder Krankheit seinen mit der Bestellung verbundenen Pflichten vorübergehend nicht nachkommen kann und mindestens ein weiterer Geschäftsführer bestellt ist. Macht ein Geschäftsführer von diesem Recht Gebrauch, muss die Bestellung dieses Geschäftsführers

  1. widerrufen und dabei die Wiederbestellung nach Ablauf des Zeitraums der in § 3 Abs. 1 und 2 des Mutterschutzgesetzes genannten Schutzfristen zugesichert werden,
  2. in den Fällen der Elternzeit, der Pflege eines Familienangehörigen oder der Krankheit widerrufen und dabei die Wiederbestellung nach einem Zeitraum von bis zu drei Monaten entsprechend dem Verlangen des Geschäftsführers zugesichert werden; von dem Widerruf der Bestellung kann abgesehen werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.“

 

Für die anderen Rechtsformen der Aktiengesellschaft bzw. der SE sind entsprechende Ergänzungen in § 84 AktG bzw. § 40 SEAG umgesetzt.

 

Ganz neu ist der Ansatz, dass der Geschäftsführer (m/w/d) für die gewünschte Auszeit einen Widerruf der Bestellung und anschließend eine Neubestellung verlangen kann. Sinn der Sache ist, dass in der Zeit der Freistellung die organschaftlichen Pflichten des Geschäftsführers erlöschen. So treffen ihn in dieser Zeit z.B. keine Pflichten zur Insolvenzantragsstellung und auch nicht die aus deren Verletzung folgenden Haftungsrisiken. Allerdings wird die Pause bei einer befristeten Bestellung nicht etwa hinten drangehängt, es bleibt bei dem ursprünglich vorgesehenen Ende der Bestellung.

 

In Fällen des Mutterschutzes kann die Gesellschafterversammlung bzw. der Aufsichtsrat dem Wunsch der Geschäftsführung nicht widersprechen, in allen anderen Fällen, denen der Elternzeit, der Krankheit oder der Pflege, kann das Bestellungsorgan immerhin aus wichtigem Grund dem Ansinnen widersprechen.

 

Die Neuregelung gilt nicht etwa nur für die großen Gesellschaften, sondern für alle, also auch für die kleine Komplementär-GmbH einer Handwerker-GmbH & Co. KG.

 

Etwa in der Unternehmenskrise sind nun hochinteressante Strategien möglich: Geschäftsführer (m/w/d) können sich damit selbst für 14 Wochen in Mutterschaftsschutz oder für bis zu drei Monate bei Krankheit oder wegen Elternzeit oder Pflegezeit aus den Dienstpflichten verabschieden und diese dem möglicherweise allein verbleibenden einzigen Geschäftsführer aufbürden.

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