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Kommissionsmodelle im E-Commerce

Neuerungen bei Warenlieferungen

Grenzüberschreitende Warenverkäufe und Dienstleistungen über Online-Plattformen haben in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen, insbesondere im Bereich des Geschäfts mit Privatkunden (B2C). In vielen Fällen sind die Umsätze dort zu versteuern, wo der Verbraucher seinen Wohnsitz hat. Aus Sicht der Finanzverwaltungen in den Wohnsitzstaaten der Verbraucher besteht ein Interesse daran, die oftmals im Ausland ansässigen leistenden Unternehmer zu identifizieren und auf deren Umsätze die Umsatzsteuer zu erheben. Da der Fiskus im Ausland keine Steuern durchsetzen kann, soll in bestimmten Fällen die korrekte Versteuerung im Inland sichergestellt werden, indem – wie bei einem Kommissionsgeschäft – eine Leistungskette zwischen dem Verkäufer, dem Plattformbetreiber und dem Endkunden fingiert wird.

Kommissionsmodell bei sonstigen Leistungen

Begriff der Leistungskommission

Die Leistungskommission ist in § 3 Abs. 11 UStG wie folgt geregelt: „Wird ein Unternehmer in die Erbringung einer sonstigen Leistung eingeschaltet und handelt er dabei im eigenen Namen, jedoch für fremde Rechnung, gilt diese Leistung als an ihn und von ihm erbracht.“ Diese Regelung gilt sowohl für den Einkauf als auch den Verkauf sonstiger Leistungen. Damit entspricht sie in ihrer Wirkungsweise dem in § 3 Abs. 3 UStG geregelten Kommissionsgeschäft, das sich auf Warenlieferungen bezieht.

Ausweitung der Leistungskommission auf bestimmte elektronische Leistungen: Neuer § 3 Abs. 11a UStG

Mit Wirkung zum 1.1.2015 wurde eine zuvor bereits im Telekommunikationsgesetz enthaltene Regelung in einen neuen § 3 Abs. 11a UStG transferiert und dabei an das EU-Recht angepasst. 

Der Anwendungsbereich von § 3 Abs. 11a UStG umfasst insbesondere 

  • Telefondienste, 
  • die Überlassung von Software und anderer digitaler Produkte, 
  • das Bereitstellen von Online-Plattformen wie Marktplätzen etc.
  • sowie das Webhosting. 

Diese Leistungen müssen über ein bestimmtes Medium bereitgestellt werden, d.h. ein Telekommunikationsnetz, eine Schnittstelle oder ein Portal. Der Betreiber dieses Mediums gilt wie ein Kommissionär als Schuldner der Umsatzsteuer.

Hinweis: Die Begriffe Schnittstelle oder Portal sind nicht gesetzlich definiert. In der Praxis kann es sich dabei z.B. auch um einen App-Store handeln.

Der zwischengeschaltete Unternehmer kann die Fiktion einer Leistungskommission widerlegen, wenn er den Anbieter der sonstigen Leistung als Leistungserbringer ausdrücklich benennt und dies auch in den vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien zum Ausdruck kommt. Diese Bedingung ist erfüllt, wenn die sonstige Leistung sowie der Erbringer dieser Leistung in sämtlichen im Zusammenhang mit der Leistungserbringung ausgestellten Rechnungen angegeben sind.

Eine Widerlegung der Fiktion einer Leistungskommission ist dagegen ausgeschlossen, wenn der zwischengeschaltete Unternehmer hinsichtlich der Erbringung der sonstigen Leistung die Abrechnung gegenüber dem Leistungsempfänger autorisiert, die Erbringung der sonstigen Leistung genehmigt oder die allgemeinen Bedingungen der Leistungserbringung festlegt.

Hinweis: Keine Anwendung findet § 3 Abs. 11a UStG, wenn der zwischengeschaltete Unternehmer lediglich Zahlungen in Bezug auf die erbrachte sonstige Leistung abwickelt und nicht an der Erbringung dieser sonstigen Leistung beteiligt ist.

Rechtsfolgen

Liegen die Voraussetzungen für eine Anwendung des § 3 Abs. 11a UStG vor, treten die Rechtsfolgen der Leistungskommission i.S. von § 3 Abs. 11 UStG ein. Es werden also zwei Leistungen angenommen, die in zeitlicher Hinsicht unmittelbar aufeinander folgen: 

  • die Leistung des Kommittenten an den Kommissionär (zwischengeschalteter Unternehmer) und 
  • die Leistung des Kommissionärs an den Endkunden.

Für die Finanzverwaltung hat diese Regelung den Vorteil, dass bei Zweifeln darüber, zwischen welchen Beteiligten ein Leistungsaustausch stattgefunden hat, der Betreiber des Telekommunikationsnetzes, der Schnittstelle oder des Portals als leistender Unternehmer bestimmt werden kann (falls diesem der Gegenbeweis nicht gelingt). Dieser kann dann als Steuerschuldner in Anspruch genommen werden.

Kommissionsmodell bei Warenlieferungen

Ausgangspunkt: EU-Digitalpaket

Durch das Digitalpaket (RL 2017/2455/EU vom 5.12.2017) sind bestimmte Bereiche der Mehrwertsteuersystemrichtlinie geändert worden. Im Kern ging es dabei einerseits um Fragen der Ortsbestimmung elektronisch erbrachter Dienstleistungen und andererseits um die Definition des Begriffs „Fernverkauf von Gegenständen“ (bisheriger Begriff: Versandhandel). In diesem Zuge ist die Fiktion eines Kommissionsgeschäfts für bestimmte Fernverkäufe neu eingeführt worden.

Beide Aspekte des Digitalpakets haben zum Ziel, das Bestimmungslandprinzip im Bereich des Geschäfts mit privaten Endkunden (B2C) so weit wie möglich umzusetzen, so dass die Umsatzbesteuerung in dem Mitgliedstaat erfolgt, in dem die bezogenen Waren oder Dienstleistungen verbraucht werden. In diesem Zusammenhang sind die Schwellenwerte für die Anwendung dieser Regelungen auf einheitlich 10.000 € in allen EU-Mitgliedstaaten festgelegt worden. Damit entfällt auch die Notwendigkeit, die Lieferschwellen für jeden EU-Mitgliedstaat gesondert zu ermitteln und deren mögliche Änderungen im Zeitablauf nachzuhalten.

Hinweis: Während die Regelungen für die elektronisch erbrachten Dienstleistungen bereits zum 1.1.2019 in Kraft getreten sind, werden die Regelungen zum „Fernverkauf“ erst ab dem 1.7.2021 greifen.

Nationaler Sonderweg bei Warenlieferungen (ab 1.1.2019): Haftungsmodell

Der deutsche Gesetzgeber wollte offensichtlich die vollständige Umsetzung des Digitalpakets in nationales Recht nicht abwarten und hat mit Wirkung zum 1.1.2019 Regelungen zur Haftung der Betreiber von elektronischen 

Marktplätzen für die von den Händlern nicht gezahlte Umsatzsteuer eingeführt. Begründet wurde dieser neu eingeführte Haftungstatbestand mit der Bekämpfung von  Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren auf elektronischen Marktplätzen.

Im Grundsatz gilt Folgendes: Nach § 25e UStG haftet der Betreiber eines elektronischen Marktplatzes für die nicht entrichtete Steuer aus der Lieferung eines Unternehmers, die auf dem von ihm bereitgestellten Marktplatz rechtlich begründet worden ist. Die Haftung tritt nicht ein, wenn der Betreiber eine Bescheinigung über die steuerliche Erfassung des für den liefernden Unternehmer zuständigen Finanzamts vorlegen kann (entweder in Papierform oder in Form eines elektronischen Abrufs des Finanzamts).

Darüber hinaus gibt es weitere Ausnahmen und Rückausnahmen von der Haftung. Der Betreiber kann sich nicht „blind“ auf die vorliegenden Bescheinigungen verlassen, sondern muss auch eigene Einschätzungen über das Geschäftsgebaren der bei ihm registrierten Händler vornehmen. Die tatsächliche oder anzunehmende Kenntnis des Betreibers von Umständen, die den von den Händlern gemachten Angaben widersprechen oder auf Defizite bei der Erfüllung der steuerlichen Pflichten seitens der Händler hindeuten, wirkt sich zu Lasten des Betreibers aus, d.h. er kann sich dann regelmäßig nicht von seiner Haftung exkulpieren.

Eine Haftung tritt auch dann ein, wenn der Betreiber es unterlässt, einen Händler innerhalb einer bestimmten Frist von seinem elektronischen Marktplatz auszuschließen, nachdem das Finanzamt den Betreiber darauf hingewiesen hat, dass der Händler seinen steuerlichen Pflichten nicht ausreichend nachkommt.

Hinweis: Die Haftungsvorschrift wird flankiert von umfangreichen Aufzeichnungspflichten des Betreibers (§ 22f UStG).

Fiktion eines Kommissionsgeschäfts (ab 1.7.2021) 

EU-Recht

Durch den neu eingefügten Art. 14a MwStSystRL soll eine Besteuerung von grenzüberschreitenden Warenlieferungen an Nichtunternehmer (in erster Linie also private Endverbraucher) sichergestellt werden, die durch die Nutzung einer elektronischen Schnittstelle (z.B. eines Marktplatzes, einer Plattform, eines Portals o. dgl.) unterstützt werden. Die Vorschrift erfasst zwei Fallgruppen:

(1) Fernverkäufe von aus Drittgebieten oder Drittländern eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 €: Diese Regelung zielt insbesondere auf das Massengeschäft mit Waren aus Drittländern (Elektronikartikel etc.) ab. Im Zusammenhang mit der Neuregelung wird auch die bisherige Freigrenze von 22 € abgeschafft, unterhalb derer die Einfuhrumsatzsteuer nicht erhoben wird. Mit dem Betrag von 150 € orientiert sich der Richtliniengeber am geltenden Schwellenwert für die Erhebung von Zoll.

(2) Lieferung von Gegenständen innerhalb der Gemeinschaft durch einen nicht in der Gemeinschaft ansässigen Steuerpflichtigen an eine nicht steuerpflichtige Person: Hierbei geht es um Fälle, in denen sich die Ware bereits im Gebiet der EU befindet und der Marktplatzhändler außerhalb der EU ansässig ist.

Die Rechtsfolge besteht in beiden Fallgruppen jeweils darin, dass die Marktplatzbetreiber so behandelt werden, als ob sie diese Gegenstände selbst erhalten und geliefert hätten (fiktives Kommissionsgeschäft). Aus Sicht der Finanzverwaltung im Wohnsitzstaat des Endkunden ist die zweite Lieferung in der Kette (Marktplatzbetreiber an Endkunde) im Wohnsitzstaat steuerpflichtig. Die daraus resultierenden steuerlichen Pflichten treffen den Marktplatzbetreiber. Die Lieferung des Marktplatzhändlers (fiktiver Kommittent) an den Marktplatzbetreiber (fiktiver Kommissionär) ist im Warenabgangsland zu versteuern, so dass diese für die Finanzverwaltung im Wohnsitzstaat des Endkunden nicht von Interesse ist. 

Hinweis: Der Marktplatzbetreiber hat keine Möglichkeit, die vorgenannten Rechtsfolgen zu vermeiden.

Umsetzung im UStG

Durch das Jahressteuergesetz 2020 (JStG 2020) werden die Änderungen zur Umsetzung der zweiten Stufe des Digitalpakets mit Wirkung ab 1.7.2021 in das deutsche Recht umgesetzt.

Die beiden in Art. 14a der EU-Richtlinie genannten Fallgruppen werden in einem neuen § 3 Abs. 3a UStG geregelt: Der Marktplatzbetreiber wird „behandelt, als ob er diesen Gegenstand für sein Unternehmen selbst erhalten und geliefert hätte“. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers ist der Begriff der elektronischen Schnittstelle sehr weit zu fassen, so dass in deren Anwendungsbereich nicht nur die im Gesetz genannten elektronischen Marktplätze, Plattformen oder Portale fallen, sondern auch „Ähnliches“.

Das so fingierte Kommissionsgeschäft ist in aller Regel ein sog. Reihengeschäft. Ergänzend zu den zum 1.1.2020 eingeführten Neuregelungen zum Reihengeschäft (§ 3 Abs. 6a UStG) ordnet ein neuer § 3 Abs. 6b UStG an, dass die Warenbewegung in diesen Fällen dem zweiten bzw. letzten Umsatzgeschäft in der Reihe (also der Lieferung vom Marktplatzbetreiber an den letzten Abnehmer) zuzuordnen ist.

In § 3c UStG wird der Ort der Lieferung beim Fernverkauf geregelt. Dabei wird gesetzestechnisch differenziert zwischen innergemeinschaftlichen Warenlieferungen und Einfuhren aus Drittländern. Letztlich ist der Ort der Lieferung aber regelmäßig dort, wo sich der Gegenstand bei Beendigung der Beförderung oder Versendung an den Erwerber befindet.

Darüber hinaus werden in den §§ 18i, 18j und 18k UStG verschiedene besondere Besteuerungsverfahren im Zusammenhang mit dem EU-Digitalpaket eingeführt, die sowohl Lieferungen als auch sonstige Leistungen betreffen.

Die bisherigen Regelungen zur Haftung (§ 25e UStG, s.o.) werden nicht aufgehoben, sondern in die neue Rechtslage integriert. Sie kommen nur dann zur Anwendung, wenn der Marktplatzbetreiber nicht ohnehin bereits nach § 3 Abs. 3a UStG Schuldner der Umsatzsteuer ist. Eine Haftung entfällt, wenn der liefernde Unternehmer über eine gültige USt-IdNr. verfügt. Für den Marktplatzbetreiber bedeutet dies, dass er die ihm mitgeteilten USt-IdNrn. nicht nur aufzuzeichnen, sondern auch regelmäßig auf ihre Gültigkeit prüfen muss.

Fazit: Durch das Kommissionsmodell sollen Betreiber von elektronischen Marktplätzen in die Leistungsbeziehung zwischen dem Händler bzw. Dienstleister und dem Endkunden eingebunden werden. Dies erleichtert es den Finanzverwaltungen, die Umsatzsteuer auf die regelmäßig im Wohnsitzstaat des Endkunden zu versteuernden Leistungen zu erheben, weil sie sich nicht an die einzelnen Händler bzw. Dienstleister halten müssen, sondern an die Marktplatzbetreiber. Mit § 3 Abs. 11a UStG gilt bereits seit dem 1.1.2019 ein  Kommissionsmodell für elektronisch erbrachte Dienstleistungen. Ab dem 1.7.2021 wird auch ein Kommissionsmodell für Warenlieferungen eingeführt, die über eine elektronische Schnittstelle unterstützt werden.

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