Zum Inhalt springen

Sie sind hier:

Gewinnrealisierung bei langfristigen Aufträgen

Großprojekte erstrecken sich regelmäßig über längere Zeiträume. Aus bilanzrechtlicher Sicht stellt sich dabei die Frage, in welchem Geschäftsjahr Gewinne aus diesen Projekten entstehen bzw. auszuweisen sind. Diese Frage hat einerseits Bedeutung für das Gewinnausschüttungspotential. Andererseits werden hierdurch auch der Zeitpunkt und die Höhe der Steuerbelastung aus den Gewinnen wesentlich determiniert.

Prinzipien des deutschen Bilanzrechts

Das deutsche Bilanzrecht ist stark durch das Vorsichtsprinzip geprägt. Für den Gläubigerschutz sind Vermögensgegenstände im Zweifel eher niedrig und Schulden im Zweifel eher hoch zu bewerten. Gewinne sind hierbei nur zu berücksichtigen, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind (sog. Realisationsprinzip). Der Gewinn muss dabei „quasi-sicher“ sein. Im Bereich der Werkverträge erfolgt die Gewinnrealisierung nach deutschem Bilanzrecht daher erst mit Beendigung des Projekts. Dies ist regelmäßig der Zeitpunkt der Abnahme. Das bedeutet, dass bis dahin etwaige Abschlagszahlungen auf das Projekt erfolgsneutral als erhaltene Anzahlungen zu passivieren und erbrachte Leistungen bilanziell als unfertige Leistungen zu aktivieren sind. Der Gewinn wird erst im Jahr der Fertigstellung bzw. Abnahme „auf einen Schlag“ realisiert (sog. completed-contract-Methode). Kommt es hierdurch zu einer wesentlichen Verzerrung der Ertragslage, ist dem durch entsprechende Angaben im Anhang des Jahresabschlusses Rechnung zu tragen.

Handlungsalternativen

Es stellt sich nun die Frage, inwieweit man im deutschen Rechtsraum Möglichkeiten hat, etwaig starke Verzerrungen der Ertragslage – über die Berichterstattung im Anhang hinaus – abzumildern. Hier bestehen grundsätzlich folgende Handlungsalternativen:

Teilprojekte zur partiellen Gewinnrealisierung 

Zunächst einmal könnte man versuchen, bereits im Rahmen der Abfassung der langfristigen Verträge Teilprojekte zu definieren und diese gesondert abzurechnen und abzunehmen. Bei solchen Teilabnahmen müssten die Vertragsgegenstände rechtlich und wirtschaftlich auf den Abnehmer übergegangen sein (Gefahrenübergang). Soweit das Risiko damit auf den Abnehmer übertragbar ist, erfolgt eine partielle Gewinnrealisierung. Der gebotene Gefahrenübergang erfordert dabei selbstständig abgrenzbare und in sich geschlossene Teilleistungen; die einzelnen Teilleistungen dürfen nicht in einem funktionellen Zusammenhang stehen. 

Hinweis: Ob dies gelingt, hängt von der Vertragsgestaltung und von der Bereitschaft des Auftraggebers ab, das Projekt aufzuteilen und den Gefahrenübergang in mehreren Schritten zu übernehmen. 

Durchbrechung des Realisationsprinzips?

Nach einer Mindermeinung der Literatur (vgl. z.B. IDW, WP-Handbuch, Teil F, Tz. 1351; ADS, HGB-Kommentar, § 252, Tz. 88)  besteht unter sehr restriktiven Voraussetzungen eine weitere Möglichkeit, das vorbeschriebene Realisationsprinzip zu durchbrechen. Es werden folgende Voraussetzungen genannt: 

  • Es muss sich um langfristige Fertigungen handeln, die einen wesentlichen Teil der Unternehmenstätigkeit darstellen. 
  • Abrechnungen nach dem Realisationsprinzip führen zu einer nicht unerheblichen Beeinträchtigung des Einblicks in die Ertragslage. 
  • Der Gewinn aus langfristiger Fertigung muss nahezu risikolos sicher ermittelt werden können. 
  • Die Gesamtleistung muss kalkulatorisch in Teilleistungen und vorsichtig ermittelte Teilgewinne zerlegt werden können. 
  • Es liegen keine Anzeichen für Einwendungen des Abnehmers vor, die Auswirkungen auf das Gesamtergebnis haben.

Die Zulässigkeit einer solchen Bilanzierung wird in Fachkreisen jedoch sehr kontrovers gesehen.

Hinweis: Das Verfahren, eine Gesamtleistung (etwa eines Großprojekts) in mehrere Teilleistungen aufzuspalten und Teilgewinnrealisationen nach Fertigstellungsgrad herbeizuführen, wird auch als „Percentage-of-Completion“-Methode (PoC) bezeichnet.

Zusammenfassung: Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es zwar Möglichkeiten gibt, die Gewinne eines Großprojekts bei langfristiger Fertigung zeitlich zu verteilen. Im konkreten Fall dürfte dies allerdings nur unter sehr eingeschränkten Bedingungen umsetzbar sein, so dass im Regelfall die „Gewinnentstehung auf einen Schlag“, also am Ende des Projekts bei Abnahme, Anwendung finden wird. Auch steuerlich folgt man dieser Sichtweise. Das bedeutet, dass der Gewinn aus solchen Großprojekten ebenfalls erst bei Abnahme ganz am Ende entsteht und entsprechend hohe Steuerlasten auslöst. Aus Liquiditätssicht kann dies aber auch positiv wirken (Stichwort: Steuerkredit). 

Zurück zur Übersicht
Zurück zum Seitenanfang