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Neues BAG Urteil zum "Equal Pay"-Grundsatz

Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen – der sog. ,,Equal Pay‘‘-Grundsatz setzt dem Arbeitgeber Grenzen

Mit Urteil vom 16.02.2023 hat das Bundesarbeitsgericht entscheiden, dass Verhandlungsgeschick allein kein geeignetes objektives Kriterium zur Rechtfertigung einer Entgeltungleichheit zwischen Männern und Frauen darstellt – Az. 8 AZR 450/21. Die Kernaussage mag insoweit eindeutig klingen, doch welche konkreten Folgen ergeben sich daraus?

Erste Einschätzungen zur Pressemitteilung

Aus der Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts entnehmen einige Stimmen, dass der Arbeitgeber auf eine Lohnforderung eines Arbeitnehmers eingehen könne, dann aber auch gleichermaßen qualifizierten und erfahrenen Mitarbeiter:innen den Lohn erhöhen müsse. Andere rechnen lediglich damit, dass Auskunftsansprüche nach dem Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) vermehrt geltend gemacht werden. Die Gehaltsdifferenzen und eine Inanspruchnahme auf einen immateriellen Schadensersatz kommen dann erst in Betracht, wenn die Darlegung eine geschlechterbezogene Lohnungleichbehandlung ergibt. Ein Auskunftsanspruch besteht für Arbeitnehmer:innen zum Gehalt grundsätzlich nur in Unternehmen mit mindestens 200 Beschäftigten. Zu beachten ist aber, dass im EU-Parlament Ende März über eine Richtlinie zur Lohntransparenz abgestimmt wird, die den Auskunftsanspruch zur Offenlegung der Daten zum Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen bereits bei Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitenden regelmäßig statthaft machen soll.

So viel ist jedenfalls bereits jetzt zu erkennen: Eine Differenzierung der Gehälter bleibt zulässig, soweit sie an objektive Gründe geknüpft wird. Entscheidend dabei ist eine Geschlechtsneutralität. Beispielsweise ist davon auszugehen, dass ein Gehaltsunterschied wegen einer längeren Betriebszugehörigkeit, aber auch einer höheren Qualifikation möglich ist.

Konsequenzen

Das Bundesarbeitsgericht widersprach in seiner Entscheidung den Vorinstanzen und verpflichtete den Arbeitgeber einer Mitarbeiterin, das gleiche Grundentgelt zu zahlen wie ihrem männlichen, gleichqualifizierten Kollegen. Der Anspruch wurde auf Art. 157 AEUV und § 3 Abs. 1 EntgTranspG sowie § 7 EntgTranspG gestützt. Die Vermutungsregel der Geschlechterbenachteiligung aus § 22 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) sei erfüllt. Damit stellt das Bundesarbeitsgericht klar, dass die Darlegungs- und Beweislast bei ,,Equal Pay‘‘-Ansprüchen den Arbeitgeber trifft. Als Arbeitgeber kann dem nur erfolgreich entgegengehalten werden, dass geschlechterunspezifische objektive Gründe bestanden.

Praxisrelevante Empfehlungen

Wenn der Arbeitgeber also in eine vergleichbare Situation gerät, sollten etwaige objektive Differenzierungskriterien dokumentiert werden, die sich eben nicht allein in einem unterschiedlichen Resultat der individuellen Gehaltsverhandlungen erschöpfen sollten. Nutzbarer Spielraum ist zum Beispiel auch durch tarifliche oder betriebliche Vergütungssysteme mit Gehaltsbändern und objektiver Bewertungssystematik vorstellbar.

Auch wenn ein Arbeitnehmer eines bestimmten Geschlechts lediglich zu einem höheren Gehalt bereit ist, den Job anzunehmen, reichte auch dieses Argument dem BAG nicht aus, um den Gehaltsunterschied objektiv zu rechtfertigen bzw. die Vermutung einer geschlechtsbezogenen Benachteiligung zu widerlegen. Ob dies wirklich so stehen bleiben kann, erscheint uns aber durchaus fraglich; sollte der Arbeitgeber wirklich nicht einmal auch eine bessere Lage am Arbeitsmarkt zu seinen Gunsten nutzen dürfen?

Zusammenfassung

Entscheidend wird die Urteilsbegründung des Bundesarbeitsgerichts, in der sich herausstellen wird, ob es sich um eine Einzelfall- oder Grundsatzentscheidung handelt. Wenn diese Rechtsprechung über den Einzelfall hinaus gelten sollte, werden sich Auskunftsansprüche und Leistungsansprüche wegen Lohnanpassungen mit hoher Wahrscheinlichkeit häufen. Arbeitgeber werden dann für jeden Einzelfall darlegungspflichtig hinsichtlich der objektiven Gründe einer unterschiedlichen Vergütung sein.

Wenn ähnliche Konstellationen in der Unternehmenskultur bestehen und Sie Unterstützung beispielsweise bei der Implementierung von Haustarifen bzw. sonstigen betrieblichen Vergütungssystemen benötigen, stehen wir gerne für eine Beratung zur Verfügung. Nach Vorliegen der Urteilsbegründung kommen wir noch einmal auf das Thema zurück. Sprechen Sie uns gerne wegen weiteren Gestaltungsbedarfs oder zur Erarbeitung einer aktuellen Strategie an.

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