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Einführung eines Unternehmensstrafrechts: Was Unternehmen zukünftig erwartet

Bisher können gegen Unternehmen zwar Bußgelder verhängt werden, strafbar können sich aber nur Unternehmensangehörige machen. In diesem Zusammenhang hat das Bundesjustizministerium am 15.8.2019 einen Entwurf für ein „Gesetz zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität“ vorgelegt. Kernstück ist das Verbandssanktionengesetz (VerSanG-E), das nachfolgend vorgestellt wird.

Aktuelle Rechtslage

Bislang gibt es keine einheitliche Ahndung von Unternehmenskriminalität. Die Verfolgung liegt im Ermessen der zuständigen Behörden. Straftaten können aktuell mit einer Geldbuße in Höhe von max. 10 Mio. € geahndet werden, was in Bezug auf Großkonzerne als unangemessen niedrig angesehen wird. Daneben gibt es bisher auch keine rechtssicheren Anreize, Compliance-Maßnahmen zu implementieren oder interne Untersuchungen durchzuführen, was teilweise ebenfalls kritisiert wird.

Wesentliche Inhalte des Gesetzentwurfs

Legalitätsprinzip

Nach dem Referentenentwurf des VerSanG soll die Sanktionierung von Verbänden dem sog. Legalitätsprinzip unterworfen werden. Danach sind die zuständigen Behörden bei Bestehen eines Anfangsverdachts verpflichtet, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten. Dies soll gewährleisten, dass das geltende Recht gleichmäßig und regelmäßig zur Anwendung kommt.

Verbandsstrafe

Adressaten des Gesetzes sind Verbände im allgemeinen Sinne, also z.B. Juristische Personen des öffentlichen oder privaten Rechts (z.B. AG, GmbH), Vereine und Personengesellschaften (OHG, KG). Eine Verbandsstrafe soll dann verhängt werden, wenn Pflichten des Verbands verletzt wurden oder eine (mögliche) Bereicherung des Verbands stattgefunden hat. Als Verbandsstraftat kommen alle Deliktsgruppen des deutschen Strafrechts infrage, z.B. Vermögens- und Steuerdelikte, Umweltdelikte oder Straftaten gegen den Wettbewerb.

Die genannten Delikte können durch Leitungspersonen des Verbands begangen werden. Dies sind neben den Leitungspersonen im engeren Sinne – z.B. Geschäftsführer, Vorstandsmitglieder oder vertretungsberechtigte Gesellschafter – auch sonstige Personen, an welche Leitungsbefugnisse delegiert worden sind. Auch die Verletzung von Aufsichts- und Organisationspflichten wird in den Katalog der möglichen Vergehen von Leitungspersonen aufgenommen. Hiermit sollen Anreize für Unternehmen geschaffen werden, Compliance-Management-Systeme (CMS) einzurichten.

Arten von Sanktionen

Mögliche Verbandssanktionen sind die Verbandsgeldsanktion, Verwarnungen und eine Verbandsauflösung.

Geldbußen werden künftig umsatzabhängig differenziert. Bei Verbänden mit einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb und einem durchschnittlichen Jahresumsatz von mehr als 100 Mio. soll das Höchstmaß der Strafe 10% des durchschnittlichen weltweiten Jahresumsatzes betragen. Der Jahresumsatz soll geschätzt werden dürfen. In besonders schweren Fällen können sogar der Verband aufgelöst und eine Verbandsgeldsanktion angeordnet werden.

Hinweis: Nach dem Prinzip „name and shame“ sollen Verurteilungen öffentlich gemacht werden. Dazu soll ein Sanktionsregister eingeführt werden.

Funktionsfähiges Compliance-System

Ein grundlegendes Ziel des Referentenentwurfs soll die Förderung von Compliance-Maßnahmen sein. Die Einrichtung eines funktionsfähigen CMS gilt künftig als fast verpflichtende Vorkehrung zur Vermeidung von Verbandsstraf taten.

Hinweis: Insbesondere bei der Sanktionszumessung werden CMS positiv berücksichtigt. Letztlich kann mittels einer Auflage seitens des Gerichts die Einrichtung solcher Systeme auch faktisch erzwungen werden.

Interne Untersuchungen

Eine Milderung der Verbandssanktionen kann die Durchführung verbandsinterner Untersuchungen (auch: Internal Investigations) bewirken. Die maximal mögliche Sanktionshöhe kann so um die Hälfte reduziert werden. Eine Verbandsauflösung ist dann nicht möglich und auch eine öffentliche Bekanntmachung der Verurteilung ist ausgeschlossen. Solche strafmildernden verbandsinternen Untersuchungen müssen wesentlich zur Aufklärung beitragen und dürfen nicht vom Verteidiger des Unternehmens oder einem Beschuldigten durchgeführt werden. Der Verband muss mit den Verfolgungsbehörden vollumfänglich kooperieren. Was genau das heißen wird, ist noch unklar. Berichte über interne Untersuchungen und alle wesentlichen gewonnenen Unterlagen sind vorzulegen und es muss die Einhaltung der Grundsätze eines fairen Verfahrens beachtet werden.

Besonderheiten im Rahmen der zukünftigen Gesetzesanwendung

Die Einführung des sog. Legalitätsprinzips begründet künftig die Pflicht, bei einem Anfangsverdacht zu ermitteln und bei Vorliegen einer Verbandsstraftat eine Verbandssanktion zu verhängen.

Verbandsstraftaten müssen nicht unter die deutschen Strafgesetze fallen. Ein inländischer Verband kann folglich auch für eine Auslandsstraftat sanktioniert werden, wenn sie bei Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts strafbar wäre.

Wer wesentliche Wirtschaftsgüter eines Verbands übernimmt, kann für Verbandssanktionen des Rechtsvorgängers haften. Insbesondere bei M&A-Transaktionen ist zukünftig das Zusatzrisiko einer etwaigen Ausfallhaftung zu berücksichtigen. Im Rahmen von Due-Diligence-Prüfungen wird dies zu beachten sein.

Die bisherigen rechtlichen Regelungen des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) zu Verbandsstraftaten (§ 30, § 130 OWiG) sollen bestehen bleiben.

Empfehlung: Unternehmen sollten sich insbesondere um die Einrichtung eines funktionsfähigen CMS kümmern, um das Risiko von Straftaten zu minimieren und begangene Pflichtverletzungen aufklären zu können. Das Fehlen eines Vorsorge systems wird faktisch als Malus anzusehen sein – stärker als bisher.

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