Zum Inhalt springen

Sie sind hier:

Besondere Anforderungen an den M&A-Prozess im Falle digitaler Disruptionen

Ein systematischer M&A-Prozess hat in den letzten Jahrzehnten insbesondere aus Compliance-Gründen stetig an Bedeutung zugenommen und unterlag dabei ständig wandelnden Marktgegebenheiten. Mit zunehmend voranschreitender Relevanz der Digitalisierung steht dieser Prozess nunmehr erneut bedeutenden Anpassungsanforderungen gegenüber.

Einführung: Hohe Anforderungen aufgrund der Digitalisierung

Aufgrund der digitalen Transformation müssen sich Unternehmen den sich verändernden Bedürfnissen ihrer Kunden und den Marktbedingungen immer schneller und bisweilen auch sprunghaft anpassen. Hierbei können die Unternehmen einen derartigen Transformationsprozess entweder mittels interner Prozesse anstoßen oder das benötigte Wissen durch die gezielte Akquisition von technologiebasierten Start-up-Unternehmen erwerben. In der Praxis bevorzugen die meisten Unternehmen die letztere Methode. Daraus ergibt sich eine starke Veränderung der Anforderungen an den M&A-Prozess. Hierbei haben vor allem die IT-Due-Diligence sowie die Financial-Due-Diligence eine besonders hohe Relevanz, da die Bewertung von disruptiven Unternehmenskonzepten und Start-up-Unternehmen mit bedeutenden Unsicherheiten bezüglich der zukünftigen Wertentwicklung verbunden ist.

Industrie 4.0

Disruptive Technologien haben erheblichen Einfluss auf bisherige Wertschöpfungsketten und etablierte Geschäftsmodelle. Dabei haben sich in den letzten Jahren vor allem internetbasierte Dienstleistungsunternehmen durchgesetzt und der Onlinehandel hat dem stationären Handel hohe Marktanteile abgenommen. Auch im produzierenden Gewerbe ergibt sich eine Vielzahl von Chancen zur besseren Wettbewerbsfähigkeit mittels Digitalisierung. Hierbei spielen vor allem die Verarbeitung sehr großer Datenmengen und die Implementierung von künstlicher Intelligenz erhebliche Schlüsselrollen. Um sich bereits frühzeitig am Wandlungsprozess der digitalen Transformation zu beteiligen, erwerben etablierte Unternehmen daher vermehrt Anteile an digitaltechnologiebasierten Start-up-Unternehmen.

Due-Diligence

Das Grundproblem

Ein wesentlicher Bestandteil des M&A-Prozesses ist die Durchführung einer Due-Diligence. In dieser Phase wird die historische Entwicklung von steuerlichen, rechtlichen, personellen und finanziellen Risiken eines Kaufobjekts analysiert, um zu ermitteln, ob dieses den Erwartungen und Ansprüchen des potenziellen Käufers entspricht. Hierbei werden die Auswirkungen der digitalen Transformation auf den M&A-Prozess und die damit verbundene Anpassungsnotwendigkeit besonders deutlich, da sowohl Start-up-Unternehmen als auch disruptive Geschäftsmodelle i.d.R. keine langfristig angelegten Unternehmensinformationen vorweisen können. Diese stellen allerdings bislang gerade die notwendige Grundlage zur erfolgreichen Durchführung einer Due-Diligence dar.

Financial-Due-Diligence

Bei der finanzbasierten Due-Diligence werden anhand von historischen Daten die zukünftigen Erträge eines Unternehmens prognostiziert bzw. es wird eine Planung plausibilisiert, wodurch ein Überblick über die finanzielle Lage des betrachteten Objekts ermöglicht wird. Bei Startup-Unternehmen und disruptiven Geschäftsmodellen ist eine solche Prognostizierung allerdings nur sehr eingeschränkt möglich. In der Planungs- und Gründungsphase sind diese Unternehmen und Geschäftsmodelle überwiegend von hohen Investitionen und steigendem Kapitalbedarf für innovative Produkte und Dienstleistungen geprägt. Ein Rückschluss auf zukünftige Entwicklungen ist anhand der bisherigen Unternehmenshistorie oftmals schwierig, weil sich diese Phasen und die damit verbundenen finanziellen Ergebnisse in Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit so nicht wiederholen werden. Hingegen sind Faktoren wie eine Benchmark und die Analyse von Marktdaten bei der Bewertung und der Prognose von zentraler Bedeutung.

IT-Due-Diligence

Mit einer IT-Due-Diligence soll die Integrationsfähigkeit der gesamten IT-Umgebung eines möglichen Kaufobjekts ermittelt werden. Je unterschiedlicher die IT-Umgebungen zweier Unternehmen dabei sind, desto stärker ist der Integrationsprozess mit Kosten verbunden. Diese Kosten sind dabei größtenteils von der Kompatibilität bzw. der Anpassungsfähigkeit der verschiedenen Warenwirtschafts-/ERP-Systeme abhängig. Weitere Bestandteile der im Rahmen einer IT-Due-Diligence stattfindenden Analysen sind die Aufnahme und Bewertung der vorhandenen Hard- und Software-Systeme, der IT-Prozesse sowie der laufenden Projekte. Zudem hat das Stichwort Datenschutz spätestens mit der Einführung der EU-Datenschutzverordnung stark an Gewicht gewonnen. Allerdings ist nicht nur die Sicherheit personenbezogener Datenverarbeitung entscheidend, sondern auch die Sicherheit der unternehmensbezogenen Daten nach außen wie beispielweise die Absicherung gegen Cyber-Angriffe.

Bewertungsverfahren

Die Auswahl des richtigen Bewertungsverfahrens macht einen weiteren entscheidenden Bestandteil eines M&A-Prozesses aus. Bei Start-up-Unternehmen ist bei dieser Auswahl vor allem die besonders frühe Phase des Unternehmenszyklus relevant: In der Orientierungs- und Planungsphase sowie der Gründungsphase kommen aufgrund der mangelnden Aussagekraft der historischen Finanzzahlen eher qualitative Bewertungsverfahren zur Anwendung. Diese umfassen beispielsweise die Analyse des Marktpotenzials und der Innovationsfähigkeit der Produkte. In den späteren Unternehmenszyklen werden hingegen eher kapitalwertorientierte Bewertungsverfahren zugrunde gelegt. Generell ist es sinnvoll, bei der Bewertung eines Start-up-Unternehmens den gewogenen Durchschnitt der Ergebnisse mehrerer Bewertungsverfahren zu analysieren. Dabei sollten vor allem die Benchmark-, die Venture-Capital- und die DCF-EndwertMethodiken in die Durchführung einer solchen Analyse miteinbezogen werden.

Ausblick: Sofern Unternehmen bisher noch keine Anpassungen ihrer Geschäftsprozesse an die Digitalisierung vorgenommen haben, ist sehr dringlich zu empfehlen, dies zeitnah nachzuholen. Dabei kann eine Anpassung einerseits durch gezieltes Recruiting von qualifiziertem Fachpersonal oder andererseits durch das Eingehen von Kooperationen mit digitalorientierten Start-up-Unternehmen erreicht werden. Auch das Hinzuziehen von externen Beratern bietet sich an, um eine Umstellung der internen Prozesse auf die Digitalisierung anzustoßen.

Zurück zur Übersicht
Zurück zum Seitenanfang