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Abschaffung der bilanzsteuerlichen Abzinsung von Verbindlichkeiten

Das 4. Corona-Steuerhilfegesetz ist am 20.5.2022 vom Bundestag beschlossen worden. Die Abschaffung der Abzinsung von Verbindlichkeiten in der Steuerbilanz gehört zu den in der Öffentlichkeit weitgehend verborgen gebliebenen Änderungsvorschlägen.

Abzinsungsgebot in der Steuerbilanz

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG sind unverzinsliche Verbindlichkeiten mit einer Laufzeit von über einem Jahr (in der Steuerbilanz) mit einem Zinssatz von 5,5% abzuzinsen. Für Rückstellungen gilt dies entsprechend. Eine erst in der Zukunft zu erfüllende Verpflichtung belaste den Schuldner weniger als eine sofortige Leistungspflicht. Auch ohne ausdrückliche Zinsvereinbarung sei neben dem Tilgungsanteil ein Zinsanteil enthalten. Dabei folgt das Abzinsungsgebot dem Grundsatz, dass erst in Zukunft zu erbringende Zahlungen gegenwärtig mit dem Barwert abzubilden sind (so auch BFH-Entscheidung vom 22.5.2019, Az.: X R 19/17, BStBl II 2019 S. 795).

Zahlreiche Verfahren vor dem BFH dokumentieren seit Jahren die Zweifel u.a. an der Zinshöhe und ihrer Starrheit. Der BFH sah die Verpflichtung, unverzinsliche Betriebsschulden mit 5,5% abzuzinsen, für Wirtschaftsjahre bis einschließlich 2010 als verfassungsgemäß an. Auch für das Jahr 2013 bestehen nach dem FG Münster keine ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG mit seinem statisch-typisierenden Abzinsungssatz von 5,5% (Beschluss vom 5.5.2021, Az.: 13 V 505/2).

Änderung nur für Verbindlichkeiten, nicht für Rückstellungen

Künftig werden Verbindlichkeiten und Rückstellungen unterschiedlich behandelt. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG n.F. sind Verbindlichkeiten nunmehr wie Grund- und Boden, Beteiligungen und Umlaufvermögen mit ihren Anschaffungskosten anzusetzen. Die Abzinsung unverzinslicher Verbindlichkeiten mit einer Laufzeit von über einem Jahr entfällt. 

Für Rückstellungen hingegen gilt das bisher explizit für Verbindlichkeiten Geregelte: Rückstellungen für Verpflichtungen sind mit einem Zinssatz von 5,5% abzuzinsen; ausgenommen von der Abzinsung sind Rückstellungen mit einer Laufzeit von weniger als einem Jahr oder Rückstellungen für verzinsliche Verpflichtungen.

Anwendungsbereich und Hintergrund

Die hier beschriebenen Neuregelungen sind erstmals für Wirtschaftsjahre anzuwenden, die nach dem 31.12.2022 enden. Auf Antrag ist eine Anwendung auch für frühere Jahre möglich. Der Antrag ist dann allerdings für sämtliche Wirtschaftsjahre einheitlich zu stellen. 

Die Abschaffung der Abzinsung von Verbindlichkeiten geht auf eine Initiative des Bundesrats zurück. Einer steuerlichen Mehrbelastung durch die Abzinsung im Jahr der 
Erstbilanzierung der Verbindlichkeit bedürfe es aufgrund des schon länger andauernden sehr niedrigen Zinsniveaus nicht mehr. Der Wegfall des Abzinsungsgebots sei zudem ein wirksamer Beitrag für eine Entbürokratisierung des Steuerrechts und zur Steuervereinfachung.

Hinweis: Soweit eine Verbindlichkeit aus den Vorjahren existiert, ergibt sich eine Gewinnminderung i.H. des zum Ende des letzten Wirtschaftsjahres noch bestehenden Abzinsungsvolumens. Eine Übergangsregelung, z.B. in Form einer Verteilung des Aufwands über mehrere Jahre, ist aktuell nicht vorgesehen worden.

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